Brigitte Wilfing

Das Undarstellbare und die Pathosformeln der Gegenwart. Eine Gesten-Etymologie in Bewegung.

Mich interessieren Gesten als eine zur Welt gewandte Bewegungs- und Wahrnehmungsweise, als Berührung der Innen- und Außenwelt. Ich will von Posen zu Gesten der Teilhabe, des Mitseins dringen, von der Repräsentation zum präsent sein. Hierbei treffen Gesten als Materialisierung von Kultur auf den Körper als Agens, auf 17.000 Fühlkörperchen in der Handinnenfläche, die sich selbst zugewandt, die Stimme oder Organe anregen und nach Außen gewandt, die Sphäre einer potentiellen Wir-Intentionalität betreten. Gesten sind identitätsstiftend – im Körper, in der Familie, kulturell, politisch. Ihre oft ideologischen Bedeutungen lassen die Bewegung nicht unberührt. Die Ideologie sitzt nicht im Kopf allein. Im Akt der Durchdringung gerinnt sie zum Fleisch und Blut der Bewegung. Wiederaneignung. Subjekt werden. Übers Spüren. Die Spur verfolgen, wo sich die Geste von ihrem physischen Zweck löst und sich in der Abstraktion vereinheitlicht. Zum Ursprung und weiterspringen. Der Entstehung und Globalisierung von Gesten durch Internet und Technik mit Empfindsamkeit trotzen. Nicht zur Verteidigung nationaler Identitäten, sondern als gestisches Plädoyer für das Empfängliche. Für die Öffnung eines poetischen Raumes im eigenen und im Gesellschaftskörper. Plural und polyzentrisch.

 

BRIGITTE WILFING (AT) ist Choreografin, Performerin, Autodidaktin. Sie arbeitet gerne in kollaborativen Settings zwischen Theorie und Praxis. Die choregrafischen Werke verorten sich im Dazwischen der Bildenden und Darstellenden Kunst; die Soloprojekte und Gruppenarbeiten an der Schnittstelle von Neuer und experimenteller Musik und Bewegung mit zeitgenössischen Komponisten und Ensembles werden im In- und Ausland gezeigt, u.a. im Tanzquartier Wien, Sophiensäle Berlin, PACT Zollverein Essen, Neues Kunstforum Köln, Donaufestival Krems, mumok Hofstallungen, Festival Wien Modern, Radiokulturhaus Wien, xhibit, Universität für bildende Kunst.

2013/14 entwarf sie das Drehbuch »stop listening start screaming« für die Junge Oper Stuttgart. Für die Universität für angewandte Kunst Wien ko-kuratierte sie 2014 das diskursive Performancefestival OPEN und ko-leitete von 2012–2014 die Performanceabende der Abteilung für Transmediale Kunst. Seit 2011 Mitglied des Im_flieger_teams.